Auszug aus dem Honda-Fanzine
mit freundlicher Genehmigung von Thorben

Honda Insight

Haben Sie... Einsicht ? / Do you... Insight ?, oder Fahren mit der Kraft der zwei Herzen. Ein Insight Fahrbericht von Martin K.

Wo er auch auftaucht, erzeugt er eine von zwei Zuständen: totale Begeisterung oder abgrundtiefe Verachtung. Nach zwei Monaten habe ich mich allmählich daran gewöhnt. Ein Fahrzeug, das so stark polarisiert, ist schon seit langem nicht mehr auf den deutschen Markt gekommen - und schon gar nicht von einem japanischen Hersteller. Ich möchte ein wenig von meinen Erfahrungen mit dem Honda Insight berichten.

Mit dem Insight hat Honda einen neuen Weg eingeschlagen. Ziel sollte es sein, ein alltagstaugliches Fahrzeug zu entwickeln, das einen möglichst niedrigen Verbrauch hat. Mittel um diese Anforderung zu erfüllen, waren u.A. eine extreme Leichtbauweise der Karosserie (diese, sowie alle tragenden Teile und der Motor bestehen aus Aluminium und Kunststoff), dem niedrigsten cW-Wert aller Serienfahrzeuge (0,25) und einem völlig neuen Antriebskonzept.

Das Zauberwort aber heißt „Hybrid“. Gemeint ist damit eine Kombination von zwei Antriebsarten - in diesem Fall einem Verbrennungsmotor (Dreizylinder VTEC, 1.0 l, 67 PS ) und einem Elektromotor mit 10 kW.

Letzterer fungiert zusätzlich auch als Anlasser und Generator. Im Unterschied zu anderen Fahrzeugen mit Elektromotoren erzeugt der Insight seine Elektrizität selbst. Das Anschließen an die Steckdose entfällt. Der
Strom wird in einem großen 144V Akku-Block gespeichert, der sich dort befindet, wo bei anderen Wagen die Rückbank ist. Womit der evtl. größte objektive Nachteil des Insights auch schon erwähnt wäre - er ist ein Zweisitzer.

Wie aber "erfährt" sich so ein Fahrzeug? Um es gleich vorneweg zu sagen:
allgemein fürchterlich normal.

Aber es gibt doch ein paar Unterschiede, die einen immer wieder daran erinnern, dass der Insight einen besonderen Anspruch erhebt.
Mit dem Einschalten der Zündung erwacht die schwarze Fläche vor dem Fahrer in bunten LCD-Farben zum Leben. Ähnliches kennt man auch aus dem S 2000. Mit diesem hat der Insight übrigens auch das griffige Sportlenkrad gemein.


Links im Display steht der Durchschnittsverbrauch: 3,8 l ! Fast 700 km gefahren, und der Tank ist noch
ein Viertel voll.

Dreht man den Schlüssel ganz durch, wird man vergeblich auf das Wimmern eines Anlassers warten. Vielmehr ist, als schalte man den Verbrennungsmotor ein. Er geht sofort auf Leerlaufumdrehung. Im Gegensatz zu dem zweiten auf dem deutschen Markt verfügbaren Hybrid, dem Toyota Prius, ist der Insight nicht in der Lage, nur mit seinem Elektromotor zu fahren. Der E-Motor verhält sich vielmehr wie ein Turbolader, der seinem benzingetriebenen Partner aushilft, wenn diesem die Kraft ausgeht. Ein digitales Display informiert den Fahrer darüber, ob der E-Motor mit für Vortrieb sorgt, oder ob er damit beschäftigt ist, die Batterien zu laden.

Das Fahren selbst gestaltet sich relativ unspektakulär. Drehfreudig und durch ein knackiges 5-Gang-Getriebe unterstützt, beschleunigt der Wagen in etwas mehr als 10 Sekunden auf 100. Mit Anlauf sind auf ebener Strecke 180 Sachen möglich - wenn's denn sein muss. Das Fahrwerk ist dabei komfortabel
straff gefedert und die beiden Schalensitze mit integrierten Kopfstützen bieten guten Halt. Die serienmäßige Klimaautomatik sorgt dabei ständig für eine angenehme Temperatur in der Kabine.

Eine Überraschung erwartet den Fahrer beim Anhalten. Rollt man ausgekuppelt z.B. auf eine Ampel zu und muss anhalten, schaltet sich der Verbrennungsmotor selbsttätig ab. Für mich war es zunächst sehr ungewohnt, in einem lautlosen Motor mitten auf der Kreuzung zu stehen. Inzwischen liebe ich es. Sobald man den ersten Gang einlegt, startet der Benzinmotor wieder. Dieser Neustart geschieht so schnell, dass der Motor auf Leerlaufumdrehung ist, bevor das Kupplungspedal seinen höchsten Punkt erreicht hat.

Für die hier sicherlich in der Überzahl vertretene Tuner-Gemeinde mag der folgende Satz wie ein Schock klingen, aber mit dem Insight macht es viel mehr Spaß, ruhig dahin zu gleiten ! Auf dem Digitaldisplay kann man verfolgen, wie sich der Kraftstoffverbrauch weit unterhalb der drei Liter einpendelt. Mit einer Tankfüllung von 35 Litern sind Reichweiten von über 800 Kilometer üblich. 1000 Kilometer und mehr kann man rausholen, wenn man das Glück hat, nicht jeden Tag durch stockenden Großstadtverkehr fahren zu müssen.

Trotzdem muss man keine Angst haben, dass der gewohnte Honda-Kick zu kurz kommt. Insbesondere Ampelstarts sorgen bei profilierungssüchtigen Verkehrsteilnehmern (meistens zu erkennen an schwarzen 3er BMWs, dunklen Golfs oder Astra GSi) immer wieder für enttäuschte oder frustrierte Gesichter, wenn Sie völlig unerwartet nicht mit dem komischen Fahrzeug von Honda mithalten können. Der Insight hat hier die Gesetze der Physik auf seiner Seite. 76 PS hören sich zunächst nicht nach viel an, aber die müssen gerade mal 900 Kilo Leergewicht bewegen.

Der Elektromotor bringt zudem seine 10kW Leistung praktisch ohne Zeitverzögerung auf die Kurbelwelle. Im Kampf gegen das Trägheitsgesetz haben "normale" Fahrzeuge erst ab etwa 120 PS - 150 PS eine reelle Chance mitzuhalten.

Soviel zu den Fakten. Bleibt noch die persönliche Meinung über das Erscheinungsbild des Insight. Die politisch korrekte Beschreibung ist wahrscheinlich: "eigenwillig". Wie schon erwähnt, haben es die Designer
geschafft, den niedrigsten Luftwiederstandswert aller bisher in Serie gefertigten Fahrzeuge aus dem Insight herauszukitzeln. Dabei haben sie sich auch einem Element bedient, das meines Wissens nach, zum letzten mal von Citroen verwendet wurde: Radabdeckungen. Diese in Verbindung mit der hinten hochgezogenen schwarzen Heckschürze vermitteln den Eindruck, als würde das Heck des Wagens schweben.

Die 165er 14-Zoll-Reifen wurden auf einen möglichst geringen Rollwiderstand optimiert. Von der Seite betrachtet sehen sie auf ihren polierten Alus noch ziemlich schick aus, von vorne oder hinten gesehen, erregen sie jedoch eher Mitleid.

Fazit:
Wie schon eingangs gesagt: der Insight spaltet die Geister. Wer sind mit dem einmaligen Design anfreunden kann, erhält einen Wagen, der seinesgleichen sucht. Blöde Kommentare kann man mit der Gewissheit ignorieren, dass man ein Fahrzeug fährt, das direkt aus der Prototypenwerkstatt kommt. Bastler und Schrauber muss ich allerdings enttäuschen: abgesehen von Nebelscheinwerfern gibt es keine Anbauteile für den Insight. Und Motortuning...na ja, vielleicht, wenn man einen nicht nur einen Automechaniker sondern auch noch Elektriker im Bekanntenkreis hat.


10 cm Bodenfreiheit. Nicht schlecht für ein Serienfanrzeug.

Noch eine Anmerkung zum Schluss. Es gibt z.Zt. etwa 120 Insights in Deutschland. Diese wurden von Honda-Deutschland zu Marktforschungszwecken importiert. Es steht immer noch eine Entscheidung der Verkaufsleitung aus, ob der Wagen ins offizielle Programm aufgenommen wird. Das merkt man auch daran, dass es keine Preisempfehlung gibt. Ursprünglich wurden der Insight zwischen 40.000 und 44.000 DM genannt. Diese Zahlen wurde widerrufen und es steht den Händlern frei, die ihnen zur Verfügung gestellten Wagen zu einem „angemessenen“ Preis zu verkaufen.
 


Dieser Bericht stammt aus August 2001. Mittlerweile (Ende 2002) hat sich Honda gegen die Aufnahme des Insights in die Angebotspalette entschieden. Nach der ersten Lieferung von 120 Fahrzeugen wurden keine weiteren Modelle offiziell nach Deutschland importiert. Eine Anzahl nicht verkaufter Wagen steht entweder noch bei den Händlern oder in der Werksniederlassung von Honda Europe (North) in Offenbach. Der Preis der verbliebenen Fahrzeuge dürfte mittlerweile sehr verhandelbar sein.

Ob Honda sein zweites Hybrid-Modell, den Civic-Hybrid, der inzwischen erfolgreich in Japan und Nordamerika verkauft wird, in Europa anbieten wird, steht noch nicht fest.